Das erste Mal Drehen – nicht am Rad, an der Scheibe!

Drehen. Drehen. Drehen. Drei Anfängerinnen. Drei Erfahrungen. Unser erstes Mal an der Scheibe. Wie gut das geht?! Gut? Tja, gut ist ein weites Feld. Zuerst drehe ich. Dann Ruth, die neue FSJlerin. Dann Claudia, Dozentin in der Werkstatt und kreatives Allround-Genie.

Die Beine sind fest im Boden verankert. Ellenbogen pressen sich in fest angespannte Oberschenkel. Beide Hände warten auf eine einzige Bewegung: Den Tritt meines rechten Fußes auf das Gaspedal.
Vor mir beginnt sich die Töpferscheibe gegen den Uhrzeigersinn zu drehen. Völlig monoton rattert sie vor sich hin. So ruhig wie die Drehscheibe wäre ich jetzt auch gern. Mit ganzer Kraft versuche ich den grauweißen Tonklumpen vor mir in der Mitte der Scheibe zu halten. Alle meine Muskeln sind den Haarwurzeln bis in die Zehenspitzen angespannt. Drücken, Halten, Bewegen, meine Hände können das nicht gleichzeitig an der drehenden Scheibe. Der Ton ist stärker als ich. Unkontrolliert und eigenwillig wackeln meine Hände mit ihm mal nach links und mal nach rechts. Viel zu schnell soll alles auf einmal passieren. Mein Kopf kommt da nicht mehr mit! Ich versuche den Ton zu drehen. Die Scheibe dreht sich. Ich drehe mich. Der Ton dreht sich. Ich spanne meine Muskeln, zentriere den Ton, mein Kopf zeigt mir Bilder, wie es aussehen sollte…
… und genau das ist wahrscheinlich der Fehler. Alle Spannung aus meinem Körper schießt wie ein überspannter Bogen in meinen Kopf.
Was genau meine Hände, Finger und anderen Muskeln gerade machen – keine Ahnung.
Klatsch. Patsch. Baääahm. Schneller, immer schneller dreht die Scheibe. Und ich drehe am Rad. Der Ton bekommt Aufwind. Durch den ganzen Raum schleudert sich die graue klebrige Masse. Den roten Fliesenboden bekleckst der graue Ton. Feucht klebt in meinem Gesicht der ganze Ton, der den Boden verfehlt hat. Igittt- so eine Tonschweinerei und ich mitten drin…

Schwein gehabt! Meine Hände haben den Dreh raus bevor es überhaupt schief geht! Mit meinen Fingern forme ich an einem wirklich hässlichen, kleinen, glitschigen Tonetwas auf der Scheibe. Eine Schale ist es zwar nicht geworden, doch zum Glück auch kein Riesenputzprojekt!

Ruth dreht im Gegensatz zu mir voll auf:

Meine Drehscheibe – unnachgiebig
(Sie dreht sich, dreht sich, dreht sich, und zwar sehr schnell, denn sie ist motorbetrieben…)
Meine Hände – zerschrammt und aufgeraut
(Zuzuschreiben ist das vor allem der ausgefuchsten Konstruktion meiner Töpferscheibe, die Befestigungsschrauben AUF dem Drehkopf vorsieht.)
Mein Ton – noch immer ein unförmiger Klops
(Diesen trifft natürlich keine Schuld, denn er hat die beste Konsistenz, die Ton meiner Meinung nach haben kann: voll durchtränkt mit Wasser und dementsprechend schön matschig.)
Meine Kleidung – ein Traum in grau gesprenkelt
(Was natürlich auch meine Brille miteinschließt, die durch aufspritzenden Ton nicht nur Funktionalität eingebüßt hat, sondern auch durch die permanente Feuchtigkeit mir ständig von der Nase zu rutschen droht.)
Mein selbstgetöpfertes Teeservice – in ungreifbarer Ferne
(Mittlerweile habe ich immerhin zwei aschenbecherartige Objekte fabriziert!!)
Mein Nachmittag – ein Nachmittag voller neuer Erfahrung
(Hinzuzufügen sind außerdem körperliche Ertüchtigung, ganz viel Spaß, und natürlich meine zwei Aschenbecher.)

Und Claudia dreht was das Zeug hält:

Leise summt der Motor der Drehscheibe, feucht und kühl liegt der Ton in meinen Händen, in mir ist eine sanfte Vorfreude. Ich zögere den Moment heraus, in dem ich den Tonklumpen mit entschiedener Wucht auf die Mitte der Drehscheibe, mit einer Mischung aus Knall & Fall, platzieren werde.

In mir träumt es:

Fest und entschieden werden meine Hände den Tonklumpen zentrieren; dann stellt sich die rechte Hand kraftvoll zur Verfügung, während die Finger der linken Hand mit zartem Druck nach oben gehen und beide einen Turm bauen; der dann, korrespondierend mit meiner innerer Aufrichtung, wieder nach unten in Richtung Scheibe mittig zentriert wird; wieder und wieder; dazwischen die Hände nass machen und sie vorsichtig gleichmäßig vom drehenden Ton entfernen und wieder annähern. Dann sehe ich wie der Daumen den Krapfen ähnlichen Tonklumpen in der Mitte aufbrechen wird. Ich fühle, wie sich meine Daumen in den Ton bohren, fühle die Kühle, das Feuchte, die Masse und fühle, wie ich der Scheibe innerlich näher komme. Dann, in einer gezielten Bewegung, entfernen sich die Daumen voneinander, auswärts. Mein Körper und ich sind eins. Wir sind präsent, klar, eindeutig, zentriert. Und das überträgt sich auf den Ton. Die Finger meiner rechten Hand schmiegen sich an die Außenseite meines Gefäßes, die Finger der linken Hand, gehen von innen dagegen, beide Hände spüren sich durch den Ton und arbeiten synchron das Material nach und hoch. Langsam, stetig und elegant entsteht meine Tasse. Jetzt noch den Rand glätten und nochmal mit den Händen die Kühle des feuchten Tons spüren, erfassen wie klar und eindeutig sich dieses Werkstück auf der Scheibe dreht. Langsam entfernen sich meine Hände und fühlen sich fast nackt an, so als suchten sie Orientierung im Luft-Nichts. Vorbei der Moment. Scheibe aus. Tasse mit einem Draht von der Scheibe ziehen. Auf einen Untersetzer stellen. Staunen. Freuen. Bewundern. Die Farbe der Glasur schon planen….

Platsch. Grauer Ton auf metallenem Grund. Willkommen in der Wirklichkeit.
Da liegt er! Mein feuchter, verheißungsvoller Tonklumpen auf der sich drehenden Scheibe. Rechtslastig, weit entfernt von der Mitte. Meine nassen Hände umfangen den eiernden Pfannkuchen, ich bin ganz in meinem Körper, der scheint allerdings gerade einen Herbstspaziergang zu machen und hat den Rest von mir unzentriert an der Scheibe zurückgelassen. Meine Hände bringen den Ton aus der Fassung und der mich in die Bredouille. Zentrieren!!!! Anfassen!!!! Hände nass machen!!! Eleganz??? Also bei mir nicht.

Egal, weitermachen, nicht aufgeben, wird schon, ist noch keine Meisterin vom Himmel gefallen. Der pitschnasse Klumpen eiert wie mein Fahrradreifen nach der letzten Begegnung mit dem Bordstein. Mist.
Wurscht. Ich suche mein Heil im Turm bauen. Was sollte die rechte Hand tun, was die linke, wieso knüddelt sich der Ton jetzt in sich zusammen?????? „Bettina!!!! Hilfe!!!! “

Über den restlichen Verlauf meines erstes Versuchs Ton auf einer Töpferscheibe zu drehen, legt sich zart und entschieden der freundliche Schleier des Vergessens.

Besser so!!!!


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